Das Nähen von Jeans hatte ich eine ganze Weile gar nicht auf dem Schirm. Allein aus dem Grund, weil ich nicht wollte, dass es selbst genäht aussieht und das Material altbacken wirkt.
Irgendwann jedoch begann ich zu überlegen... Die Industrie bekommt das doch auch hin. Warum also sollte man das zu Hause nicht auch machen können?
In diesem Beitrag erzähle ich von meinen Erfahrungen beim Behandeln von Jeansstoffen und erkläre, wie viele Veredelungstechniken in der Industrie gehandhabt werden und wie man den gleichen Look zu Hause nachahmen kann.
Zuerst sollte man sich überlegen, ob der unvernähte Stoff behandelt werden sollen oder das fertig genähte Kleidungsstück.
Denn beim behandeln des Stoffes wird ein Teil der Farbe abgetragen um einen "Used-Look" zu kreieren. Dabei werden manche Stellen heller, manche etwas dunkler, wodurch eine ungleichmäßige Optik entsteht.
Behandelt man also den Stoff vor dem Nähen und schneidet die Schnittteile wahllos zu, kann es passieren, dass ein dunkleres Stück Stoff an ein helleres Stück Stoff genäht wird.
Soll das vermieden werden, ist es sinnvoll, die Schnittteile so aufzulegen, wie man sie später zusammennähen möchte.
Die Industrie dagegen behandelt meist das fertige Produkt. Denn so wird am besten der Used-Look imitiert. Jeans wird typischerweise mit einer "Kappnaht" oder häufig auch einer "Fake-Kappnaht" verarbeitet. Dabei sieht man von der Außenseite zwei Steppungen neben der Naht, wodurch sind sie besonders robust und langlebig.
Wird nun also das fertige Kleidungsstück behandelt, so werden besonders an Dickstellen (wie beispielsweise den Nähten, Gürtelschlaufen, Tascheneingriffen oder der Bund) die Farbe am stärksten abgetragen.
Bleichen
Ein großes Thema bei der Veredelung von Jeans ist das Bleichen. Mit dieser Methode wird am schnellsten und effektivsten die Farbe aus dem Stoff herausgezogen. Da dazu Chemikalien verwendet werden, muss einem bewusst sein, dass Jeans kein umweltschonendes Kleidungsstück sind. Egal ob zu Hause bearbeitet oder industriell.
Möchte man aber dennoch den typischen Look kreieren, gibt es verschiedene Hilfsmittel.
Egal für welches du dich entscheidest, verwende es nur draußen! Denn beim Bleichen mit chemischen Bleichmitteln wie Chlor oder Farbentferner entstehen Gase, die man nicht einatmen sollte. Auch solltest du dabei Handschuhe tragen, um dich selbst zu schützen.
- Farbentferner
Für ein dezentes Ergebnis kann man einen sogenannten "Entfärber" verwenden. Das ist ein Pulver, welches im Drogeriemarkt erhältlich ist.
Durch die Pulverform lässt es sich nach Belieben dosieren und auch mit etwas Wasser gemischt in das Material einreiben. Da der Entfärber allerdings dafür gedacht ist, weiße Wäsche wieder weiß zu bekommen - also nur einen Grauschleier zu entfernen - wird durch das Behandeln des Stoffes kein starker Farbunterschied entstehen.
Hier kannst du meinen Versuch mit zwei Jeansfarben anschauen. Das linke Bild zeigt den Stoff vor dem Behandeln, das mittlere Bild zeigt den Effekt nach 45 Minuten Einwirkzeit und auf dem rechten Bild ist der Effekt nach 3 Stunden Einwirkzeit zu erkennen.
Bei kurzen Einwirkzeiten können noch ungleichmäßige Stellen vorkommen. Je länger der Farbentferner einwirken kann, desto einheitlicher wird das Farbergebnis.
Original 45 Minuten 3 Stunden
Wenn der nasse Jeansstoff vor dem Trocknen nicht glatt gestrichen wird, lassen sich die eingetrockneten Knitter nur sehr schwer glattbügeln.
- Chlor
Für einen stärkeren Effekt kann auch Chlor verwendet werden. Dieses ist um einiges aggressiver als der Entfärber. Deshalb sollte hierbei schnell und vorsichtig gearbeitet werden.
Durch den stärkeren Bleicheffekt, können auch detaillierte Effekte wie Spritzer oder der typischen Batiklook kreiert werden. Dabei sollte sich aber vorsichtig rangetastet und die Idee besser zuerst auf einem Reststück ausprobiert werden.
Hier siehst du wieder meinen Versuch an beiden Jeansfarben. Links ist der unbehandelte Stoff, das mittlere Bild zeigt den vollständig gebleichten Stoff nach 20 Minuten Einwirkzeit. Dazu habe ich zwei Teile Wasser mit einem Teil Chlorreiniger vermischt, sodass ich den Prozess beobachten kann und es nicht zu unkontrolliert bleicht.
Auf dem rechten Bild habe ich etwas unverdünnten Chlorreiniger gegossen, woraufhin der helle Fleck entstanden ist. Zudem habe ich etwas von dem verdünnten Chlorreiniger in der Mitte verspritzt und nochmals ein paar Tropfen unverdünnten Chlorreiniger auf den Stoff tropfen lassen. Dieses Stück habe ich 15 Minuten einwirken lassen.
Original 20 Minuten 15 Minuten
Used-Look
Ein klassischer Used-Look entsteht durch häufiges Tragen. Dadurch wird der Stoff an stark strapazierten Stellen abgenutzt und beschädigt.
- Bimsstein
Um diesen Look zu imitieren, muss die oberste Stoffschicht abgetragen und verletzt werden. Das funktioniert am leichtesten mit einem Bimsstein, den du in jedem Drogeriemarkt finden kannst.
Durch Befeuchten des Stoffes, öffnet sich die Struktur der Fasern und sie sind noch empfindlicher. Wenn du nun mit dem Bimsstein über den Stoff scheuerst, wird ein großer Teil der obersten Farbschicht abgetragen. Dabei wird die Stoffoberfläche verletzt, weshalb du nicht zu lange auf einer Stelle scheuern solltest.
Dadurch, dass der Stoff nun verletzt ist, ist er nicht mehr so strapazierbar wie die unberührten Stellen und er kann auf langer Sicht schneller kaputt gehen.
Original Bimsstein
- Risse
Einige Jeanshosen, welche im klassischen Handel erhältlich sind, verfügen über künstlich herbeigefügte Risse. Um diese zu Hause zu imitieren benötigst du nur eine spitze, scharfe Fadenschere und eine Pinzette.
Zum Erstellen von waagerechten Rissen, werden nun mit der Fadenschere die Kettfäden - Verlaufen in Richtung des Fadenlaufs - durchtrennt. Diese sind daran zu erkennen, dass sie gefärbt sind. Die Fäden in Schussrichtung - welche sichtbar werden sollen - sind ungefärbt.
Für Risse muss zuerst ein waagerechter Schnitt gemacht werden um die Kettfäden zu durchtrennen. In einem beliebigen Abstand darunter oder darüber wird ein weiterer Schnitt gesetzt. Die Kettfäden (gefärbt) können nun zwischen beiden Einschnitten mit der Pinzette herausgezupft werden. Die ersten Fäden sind etwas komplizierter. Aber sobald eine Lücke geschaffen wurde, wird es einfacher auch mehrere Fäden mit der Pinzette zu entfernen.
Beim Waschen werden die umliegenden Fäden etwas gelockert und die geraden Einschnitte "verwaschen" sich etwas, wodurch es natürlicher wirkt. Für einen noch natürlicheren Look, kann der Rand der Risse mit dem Bimsstein bearbeitet werden. Dabei sollte allerdings darauf geachtet werden, dass die Schussfäden (ungefärbt) nicht zu stark verletzt werden, da diese schnell reißen.
Einschnitte Fäden entfernt nach dem Waschen
Die elastischen Schussfäden (ungefärbt) werden sich zusammenziehen, sobald die Kettfäden (gefärbt) entfernt wurden. Das ist normal, da hier die Stabilität und Spannung fehlt. Wird die fertige Hose getragen, dehnt sich der eingefügte Riss genauso aus wie der unberührte Stoff.
- Einschnitte
Durch Waschen des Jeansstoffes fransen offene Kanten großzügig aus. Das kann man zum Gestalten der Oberfläche nutzen. So können beispielsweise Einschnitte in Kreuzform gesetzt werden. Dabei sollte beachtet werden, dass in Kett- und Schussrichtung (senkrecht und waagerecht) eingeschnitten wird und nicht schräg, denn so würde der gesamte Einschnitt wegfransen.
Dafür genügt es mit einem Cuttermesser oder einer spitzen Fadenschere 0,5-1cm weit einzuschneiden. Dadurch wird nicht die gesamte Oberfläche zerstört, sondern nur stellenweise perforiert.
Einschnitte nach dem Waschen
Das Veredeln von Jeans und anderen Stoffen kann also auch sehr gut zu Hause imitiert werden. Dazu benötigt es allerdings etwas Erfahrung und Übung um genau den Look zu kreieren den man sich vorstellt. Daher solltest du immer deine Idee auf Reststücken ausprobieren, bis du dir sicher bist, dass es genau so klappt wie du es dir wünschst.
Ich wünsche dir ganz viel Spaß beim experimentieren und würde mich freuen, deine Werke zu sehen.
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